Ein Bildstock voller Geschichte(n): der Stoana Maschta
Es gibt kaum jemanden in Oberndorf, der so viel erleben durfte, wie der sogenannte Stoana Maschta (Steinmast). Errichtet im Jahr 1484, stand die Granitsäule nicht nur an verschiedenen Orten in unserem Dorf, sondern war auch Zeuge der Blütezeit des Erzabbaus, der Pest, des Tiroler Volksaufstandes, der industriellen Revolution und von zwei Weltkriegen – und selbst damit ist nur ein Bruchteil der Geschichte aus den letzten 500 Jahren genannt.
Ursprünglich war der Stoana Maschta ein klassischer Wegweiser, der in der Ortsmitte gestanden ist. Die Richtungen, in die er einst gewiesen hat, sind heute noch (unterhalb der Heiligenbilder) lesbar: „Gotsner“ stand für den Ortsteil Wiesenschwang, wo sich der Bauernhof Götschner befunden hat. „Elmau“ steht für das heutige Ellmau, ebenso wie „Kitzpichl“ für Kitzbühel. Die Zahl oberhalb von „Kitzpichl” ist das Jahr der Errichtung der Säule: 1484.
A wayside shrine full of history: the Stoana Maschta
There is hardly anyone in Oberndorf who has got to experience so much as the so-called Stoana Maschta (stone mast). Erected in 1484, the granite column has not only stood in various places in our village, but also witnessed the heyday of ore mining, the plague, the Tyrolean Rebellion of 1809, the industrial revolution and two world wars – and even that is to mention only a fraction of the history of the past 500 years.
Originally, the Stoana Maschta was a traditional signpost that stood in the centre of the village. The directions in which it once pointed can still be read today (below the images of the saints): "Gotsner" stood for the Wiesenschwang district, where the Götschner farm was located. "Elmau" stands for today's Ellmau, and, likewise, "Kitzpichl" for Kitzbühel. The number above "Kitzpichl" is the year the column was erected: 1484.
Ich bin zwar aus Stein und sehe sehr unbeweglich aus, aber glaub mir, ich habe hier in Oberndorf schon mehr erlebt als viele andere. Aber ich will mich erst einmal vorstellen: Die Leute hier nennen mich „Stoana Mascht“, auf Hochdeutsch würde man Steinmast sagen. Oberndorf ist schon seit über 500 Jahren mein Zuhause, das ist eine wirklich lange Zeit. Ich habe miterlebt, wie hier im Ort zum ersten Mal Bergbau betrieben und Oberndorf zu einem Zentrum für Kupfer und Silber wurde. Ich war dabei, als es schreckliche Kriege gab und Krankheiten die Menschen hier geplagt haben.
Und weil sich so viele unterschiedliche Ereignisse abgespielt haben, hatte ich immer andere Aufgaben und bin auch nicht immer hier auf diesem Platz gestanden. Ganz zu Beginn, vor mehr als 500 Jahren, wurde ich in die damalige Ortsmitte von Oberndorf gesetzt. Ich diente den Menschen als Wegweiser und die Überreste davon kannst du heute noch sehen. Unterhalb der bunten Bilder steht zum Beispiel das Wort „Kitzpichl“, so hat man damals unseren Nachbarort Kitzbühel geschrieben. Dann steht da noch „Elmau“, das für ein anderes Dorf ganz in der Nähe namens „Ellmau“ steht. „Gotsner“ nannte man damals einen Bauern, zu dem ich auch den Weg gezeigt habe. Und die Zahl 1484, die auch zu sehen ist, ist das Jahr, in dem ich aufgestellt worden bin.
“Stoana Mascht“
I'm made of stone and look very immobile, but, believe me, I've seen more here in Oberndorf than many others. But first I want to introduce myself: the people here call me "Stoana Mascht", a local term here in Tyrol that means "stone mast". Oberndorf has been my home for over 500 years – that's a really long time. I have seen how mining was practised here in the region for the first time, and how Oberndorf became a centre for copper and silver. I was there when there were terrible wars and when diseases plagued the people here.
And because so many different events have happened, I always had different functions and I didn't always stand here in this spot. At the very beginning, more than 500 years ago, I was placed in what was then the centre of Oberndorf. I served as a guide and signpost for the people, and you can still see the remains of that today. Below the colourful pictures, for example, you will see the word "Kitzpichl" – that's how the name of our neighbouring town Kitzbühel was spelled back then. You will also see the word "Elmau", which stands for another village very close by, called "Ellmau". "Gotsner" was the word people used for a farmer back then, and I also showed him the way. And the number 1484, which you will also be able to see, is the year in which I was built.
Nicht geklärt ist die Bedeutung der vierten Seite. Möglicherweise steht die Zahl 1623 für die Pestzeit und weist auf einen eigenen Pestfriedhof außerhalb des Dorfes hin. Denn über die Jahrhunderte dürfte der Wegweiser ebenso als Pestsäule, Gattersäule wie auch – aus ökonomischen Gründen – die Funktion eines Marterls (Bildstock) übernommen haben. So stand er einst auch an einer Stelle, wo im darunterliegenden Bergwerkstollen nach einem Wassereinbruch Knappen ertrunken sind.
The meaning of what is on the fourth side has not been clarified. The number 1623 may possibly stand for the time of the plague and point to a separate plague cemetery outside the village. This is because over the centuries the signpost is likely to have taken on the function of a plague column, a boundary stone with holes for securing wheel frames or directing the way, and – for economic reasons – a wayside shrine. For example, it once also stood in a place where miners had drowned – in the mining gallery below – after water had broken in.
Zu meinem Dasein als Wegweiser kamen mit der Zeit noch andere Aufgaben hinzu: Ich war Teil eines großen Tores und habe an die Opfer der Pest und von anderen schrecklichen Unfällen erinnert. Je nachdem, wo man mich gebraucht hat, wurde ich von den Menschen hingestellt.
In addition to my life as a signpost, I also got given other duties over time: I was part of a large gate and reminded people of the victims of the plague and other terrible misfortunes. The people positioned me depending on where I was needed.
Bis 1977 befand sich der Stoana Maschta im Ortsteil Eberhartling, nördlich des Zentrums. Seit damals ist er hier am Dorfplatz zu finden und wurde von Walter Honeder mit vier Heiligenbildern ergänzt. Was sich ursprünglich auf diesen Flächen befunden hat, ist leider in keiner Chronik überliefert. Walter Honeder widmete die vier Seiten dem Heiligen Leonhard, dem Schutzpatron der landwirtschaftlichen Tiere, der Heiligen Barbara als Schutzpatronin der Bergleute, Johannes dem Täufer sowie den Aposteln Philippus und Jakobus dem Älteren, denen Oberndorfs Pfarrkirche geweiht.
Up until 1977, the Stoana Maschta was located in the district of Eberhartling, north of the village centre. Ever since then it has been here in the village square, and Walter Honeder has added images of four saints. What was originally to be seen on those parts has unfortunately not been passed down in any records. Walter Honeder dedicated these four sides to Saint Leonhard, the patron saint of farm animals, Saint Barbara, as the patron saint of miners, John the Baptist, and the apostles Philip and James the Great, to whom Oberndorf's parish church is consecrated.
Hier, im heutigen Zentrum von Oberndorf, stehe ich seit rund 40 Jahren. Als Wegweiser verwenden mich die Leute schon lange nicht mehr. Die vier bunten Bilder, mit denen ich im Jahr 1977 verziert worden bin, machen mich heute zu einem sogenannten Bildstock. Du siehst verschiedene Heilige, die jeweils eine bestimmte Aufgabe haben: Da ist der Heilige Leonhard, der die Kühe, Schafe und Hühner beschützen soll. Die Heilige Barbara passt auf alle auf, die in einem Bergwerk arbeiten. Dann ist noch ein Bild von Johannes dem Täufer auf mir zu sehen und die beiden Aposteln Philippus und Jakobus, denen unsere große Kirche geweiht ist. Das bedeutet, sie wurde zu ihren Ehren errichtet.
I have been standing here, in what is now the centre of Oberndorf, for around 40 years. People haven't used me as a signpost for a long time. The four colourful pictures that I was decorated with in 1977 make me what you call a wayside shrine today. You will see different saints, each of them with a specific task: there is Saint Leonhard, who is supposed to protect the cows, sheep and chickens. Saint Barbara takes care of everyone who works in a mine. Then there is also a picture of John the Baptist on me, which you can see, and the two apostles Philip and James, to whom our great church is consecrated. That means it was built in their honour.